Martin Seiler
Geschäftsführer Personal, Deutsche Telekom GmbH
Im Vorfeld zur Rethink! HR Tech 2017 sprach we.CONECT mit Martin Seiler, Geschäftsführer Personal der Deutsche Telekom GmbH. Herr Seiler ist seit 2010 im Konzern tätig, startete seine Karriere bei der Telekom als Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom Kundenservice GmbH (DTKS) sowie stellvertretender Sprecher der Geschäftsführung der DTKS. Anfang 2013 übernahm er zusätzlich die gesellschaftsübergreifende HR-Verantwortung für den Kundenservice als HR Executive Business Partner in der Telekom Deutschland und im Oktober 2014 die Funktion des Geschäftsführers Personal und Arbeitsdirektor Vivento Customer Service GmbH (VCS). Zuvor hatte er diverse Managementfunktionen mit dem Schwerpunkt Personal im Konzern Deutsche Post DHL inne.
Martin Seiler: Aktiv gestalten statt abzuwarten ist für mich das Credo der Stunde. Alle reden über Digitalisierung – aber die Frage, was wir als Gesellschaft, Wirtschaft und Politik konkret tun, um die Menschen auf dieser Reise mitzunehmen, ist bisher nur rudimentär beantwortet. Im Mittelpunkt steht in der aktuellen Debatte oft die Frage, was technologisch alles machbar ist, was digitalisiert werden kann. Aber wir brauchen parallel dazu Ideen und Strategien, was die Menschen brauchen, um diese rasante Entwicklung in der Arbeitswelt mitmachen und mitgestalten zu können.
Für mich ist Bildung einer der Schlüsselfaktoren, um uns zu Gewinnern der Digitalisierung zu machen und die vielbeschworene Lücke zwischen Mensch und Technik sinnvoll zu schließen. Von der Ausbildung über Weiterbildung und Trainings bis zu einem konsequenten Skill-Management gilt es, das Thema Digitalisierung in allen Bereichen zu verankern. Wir müssen den Menschen dabei helfen, die Vorteile der Digitalisierung zu erleben und Chancen nutzen zu können. Das funktioniert nur, wenn die Mitarbeiter nicht nur fit in der Technologie, den Tools und Prozessen sind, sondern „digitalisierungsmündig“ – also auch eine selbstbewusste, reflektierte Haltung zur Digitalisierung verinnerlicht haben.
Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe von der KiTa bis zur Rente: Zugang zu Bildung, Medien- und IT-Kompetenz plus Aufklärung über eine verantwortungsbewusste Nutzung der Möglichkeiten.
Gleichzeitig ist es mir wichtig, dazu beizutragen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei dieser rasanten Transformation gesund, motiviert und leistungsfähig bleiben und ein Arbeitsumfeld erleben, das sie beim Bewältigen ihrer Aufgaben unterstützt. Es geht in der Digitalisierung nicht nur um eine neue Gestaltung der Arbeitswelt in den klassischen Dimensionen, sondern um ein neues Bewusstsein von Arbeit und Arbeitsorganisation. Alle Faktoren – Arbeitszeit, Arbeitsort, Prozesse, Führungsbeziehungen, Kultur – gehören auf den Prüfstand. Entscheidend ist auch, dass das Unternehmen an sich wie jeder Mitarbeiter veränderungsbereit und – fähig ist.
Die Digitalisierung ist eine Revolution und schafft viel Positives, aber auch Möglichkeiten, dem Menschen zu schaden (z.B. Datenschutz, Cyberangriffe). Deshalb heißt digitale Verantwortung für mich: die Chancen und Risiken transparent machen und sinnvoll entscheiden, was tatsächlich umgesetzt wird. Möglich ist Vieles – aber nicht alles, was möglich ist, ist auch gut für die Menschen. Der Beitrag von HR besteht zunächst darin, den Lebensraum der Organisation so zu gestalten, dass sich die Mitarbeiter wohl fühlen, für ihre Aufgabe qualifiziert sind und dass ihre „digitale Würde“ gewahrt wird. Dazu gehören ganz grundlegende Dinge wie der Schutz von Mitarbeiterdaten. Aber das reicht bei Weitem nicht.
Neben dem schon angesprochenen Thema Bildung ist mir auch die Unternehmenskultur wichtig. Wenn sich die grundsätzlichen Parameter der Arbeitsorganisation ändern, müssen sich auch das Miteinander, die Art der Zusammenarbeit und das Führungsverständnis weiter entwickeln. Traditionelle Strukturen und Hierarchien bremsen den Wandel und verlangsamen die Veränderungsgeschwindigkeit. Gefragt sind mehr Eigenverantwortung und Unternehmertum. Überall dort, wo wir nicht über Standardprozesse sprechen, brauchen Mitarbeiter mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung, um ihren Job zu erledigen. Die Führungskraft von morgen leitet an und fokussiert, fördert die Stärken des Teams, Kreativität und Innovation, unterstützt bei Schwierigkeiten und räumt Hürden aus dem Weg.
HR ist für mich ein Transformationsmotor und –begleiter. Viele Unternehmen konzentrieren sich darauf, zunächst das Business zu digitalisieren – HR muss dafür sorgen, dass die Mitarbeiter parallel dazu auf dieses digitale Business vorbereitet sind und damit kognitiv, physisch und psychisch gut zurechtkommen. Denn tatsächlich macht das Schlagwort Digitalisierung nach wie vor vielen Menschen Angst – sei es aus Unwissenheit oder fehlenden (ethischen, politischen, unternehmensinternen) Rahmenbedingungen. Da ist Aufklärung gefordert.
Die Arbeitsbedingungen werden sich grundsätzlich verändern. Gewachsene Strukturen werden in Frage gestellt, nahtlose Kollaboration löst Silos und Hierarchien ab. An vielen Stellen wird eine Flexibilisierung erforderlich sein – aber es wird auch nach wie vor Aufgaben geben, bei denen der Arbeitsort und die Arbeitszeit klar festgeschrieben sind.
Bei der Deutschen Telekom erproben wir aktuell neue Modelle der Arbeitsorganisation – beispielsweise mit dem Konzept „Future Work“. Dabei gehen Ergebnisse vor Präsenz. Ziel ist es, den Arbeitsort bestmöglich an die Arbeitsanforderungen und die Bedürfnisse der Mitarbeiter anzupassen. Dazu gehören verschiedene Bausteine: Wir fördern bereichsübergreifende Zusammenarbeit dank moderner Bürowelten, folgen einem neuen Führungsstil basierend auf dem Prinzip der Eigenverantwortung und flexibilisieren die Arbeitsgestaltung durch mobiles Arbeiten.
Auch beim Thema Arbeitszeit gehen wir neue Wege. Arbeitszeiten, die für alle Bereiche in einem Unternehmen gleich sind, sind nicht mehr zeitgemäß und passen weder zu den Erwartungen unserer Kunden noch decken sie die tatsächlichen Arbeitszeitbedarfe – beispielsweise beim Netzausbau – ab. So sprechen wir mit unserem Sozialpartner im Rahmen einer Neuorganisation der Telekom Deutschland GmbH über mehrere Elemente zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, um passgenaue Lösungen statt „one size fits all“-Ansätze zu finden. Dazu zählt eine dauerhafte Reduzierung der Wochenarbeitszeit in den Bereichen Service und Technik zur Bewältigung des Umbaus. Darüber hinaus setzen wir auf eine Atmungsfähigkeit der Wochenarbeitszeit. In Zeiten mit hoher Auslastung kann die Wochenarbeitszeit temporär erhöht, bei schlechter Auftragslage reduziert werden. Damit haben wir eine verantwortungsvolle Atmungskomponente in der Arbeitszeit und können über diese Elemente bis zu 2000 Arbeitsplätze in der Telekom langfristig sichern.
Der Mensch steht im Mittelpunkt. Die Maschine ist für den Menschen da, nicht umgekehrt. Roboter und Systeme sind für mich Unterstützer des Menschen, keine Konkurrenten. Sicher wird Technologie für viele Menschen in ihrem Alltag eine zunehmend wichtige Rolle spielen – beruflich wie privat. Der Mensch wird Tätigkeitsfelder an Maschinen abgeben und dafür Freiraum für andere Aufgaben erhalten. Aber der Mensch wird dadurch in der Arbeitswelt nicht überflüssig, sondern die Arten von Aufgaben werden sich weiterentwickeln.
Kreative Aufgaben, die viel Einfühlungsvermögen und individuelles Reagieren erfordern, werden auch weiterhin von Menschen übernommen. Wenn es um Gefühle, Empathie, Phantasie und Entdeckergeist geht, hat die Maschine heute noch das Nachsehen. Entscheidend ist, dass wir jetzt die Weichen für digitale Bildung und Teilhabe stellen, damit jeder Mensch die Chancen der Digitalisierung auch nutzen kann.
Kern jeder erfolgreichen Transformation ist Kommunikation. Deshalb ist für mich der kontinuierliche, transparente Dialog mit den Mitarbeitern so wichtig und erfolgsentscheidend. Als Telekom betreiben wir eines der größten europäischen internen sozialen Netzwerke, in dem offen und kritisch auch über Chancen und Risiken der Digitalisierung diskutiert wird. Daneben ist die Vermittlung eines souveränen und verantwortungsbewussten Umgangs mit Technologie ein zentraler Faktor. HR muss entsprechende Angebote auflegen und die Technologiekompetenz der Mitarbeiter fördern.
Auch die Positionierung von HR selbst ist entscheidend. Eine gute HR-Abteilung reagiert nicht, sondern agiert. Sie hilft nicht dabei, die Folgen einer Veränderung für die Mitarbeiter besser verdaulich zu machen, sondern ist schon in der Projektphase bei der Entwicklung der Veränderungsmaßnahme tonangebend, berät und gestaltet. Ich verstehe mein Team und mich als strategischen Partner des Business‘, als Impulsgeber, Enabler und Gestalter.
Unsere Chance und Aufgabe ist es auch, die Führungskräfte als Multiplikatoren in Veränderungsprozessen zu unterstützen. Das wird künftig immer wichtiger. Denn der Unternehmenserfolg muss sich immer stärker nicht nur am finanziellen Ergebnis messen lassen, sondern auch daran, „wie“ das Ergebnis erreicht wurde. Führung im digitalen Zeitalter ist auch eine Frage der Haltung. Ich kann nur ein Vorbild in der Transformation sein und andere mitnehmen, wenn ich selber veränderungsbereit bin und Lust habe, die Veränderung aktiv zu gestalten.
Selbstverständlich sind wir als HR auch Vorreiter: Wir digitalisieren unsere eigenen Produkte, beraten und unterstützen die Mitarbeiter in der sicheren Anwendung dieser Tools. Was wir übergreifend fordern, machen wir auch im Kleinen selbst.
Unsere Personalpolitik orientiert sich konsequent an zwei Dimensionen: dem Dreiklang der Bedürfnisse von Kunden, Mitarbeitern und Unternehmen sowie der richtigen Balance aus Personalabbau, Reskilling und Aufbau neuen Knowhows.
Für die Telekom Deutschland ist 2017 das Jahr der Transformation. Kern der Veränderung ist die Bündelung unserer bisher getrennten Service-Aktivitäten in einem integrierten Servicebereich für Kundenkontakt und Technischen Service. Gleichzeitig verschlanken wir Querschnitts- und Steuerungsfunktionen deutlich. Begleitet werden die organisatorischen und prozessualen Veränderungen von innovativen Konzepten zur Gestaltung des sozialverträglichen Personalumbaus und der Arbeitszeit.
Unsere vordringlichste Aufgabe als HR-Bereich ist es, die Teams der Telekom Deutschland durch die Veränderungen zu begleiten und auf dem Weg in die neue Organisation und Prozesswelt zu unterstützen. Dazu benötigen wir eine offene Kultur der Zusammenarbeit – und das auf allen Ebenen. Verantwortung und Vertrauen sind für mich die Pfeiler, um diesen Weg erfolgreich zu gestalten. Und die Führungskräfte sind die Multiplikatoren, die wir in dieser Rolle unterstützen. Neben der konsequenten Weiterentwicklung der Unternehmenskultur gehören dazu auch die Führungs- und Performancekultur.
Darüber hinaus treiben wir die Digitalisierung in der Qualifizierung und Ausbildung weiter voran und implementieren neue Ansätze und Tools beim Thema Weiterbildung und Training. Mir ist besonders wichtig, dass auch wir als HR-Team uns und unsere Angebote kontinuierlich weiterentwickeln. Die Arbeitswelt verändert sich rasant – da brauchen wir innovative Ansätze und den Mut, Dinge disruptiv zu denken und neu aufzusetzen, um den Bedürfnissen von Kunden, Mitarbeitern und Unternehmen auch morgen noch zu entsprechen.